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Nach meinem Verständnis geht es jetzt Vader darum, unbedingt noch einmal seinem alten Meister zu begegnen, ihm vielleicht eine letzte Ehrenbezeugung zukommen zu lassen. Vader hat sich bis zu diesem Tag mit dem Wissen arrangiert, daß sein Feind aber ehemaliger Freund als einziger die Vernichtung der Jedi-Ritter überlebt hat. Nicht umsonst sagt Vader, als er Obi-Wan stellt: "Ihr hättet nicht zurück kommen sollen."
Und wenn jemand das Recht hat, Obi-Wan Kenobi zu stellen, dann er. Einst waren sie zwei Jedi, nun sind sie die letzten ihrer Art. Eine Sache unter Jedi-Rittern. Für Vader ist dies auch seine vermeintlich letzte Begegnung mit einem Mitglied seiner Familie: Seinem Ziehvater "Ben" Obi-Wan Kenobi. Vader hätte sicherlich jeden, der Ben Kenobi zu nahe gekommen wäre, in die Hölle geschickt.
So ist die Anweisung Vaders "Überlassen Sie mir den alten Mann" im BDFC als klarer Befehl an alle Truppen zu sehen, daß niemand dem alten Jedi-Meister auch nur im Geringsten nachsetzen darf. Wir wissen ja aus EPISODE 5 wie empfindlich Vader auf Enttäuschungen reagiert. Seine Rache wäre tödlich. Dazu paßt gut die Szene, in der die vorm Rasenden Falken stationierten Sturmtruppen das Laserschwert-Gefecht zwischen Vader und Kenobi bemerken. Sie sind erst einmal einen Moment ratlos und nachdem der befehlshabende Offizier sich entschließt, nicht ganz untätig herumzustehen und sich den Beiden zu nähern - wenn schon sein gefürchteter Vorgesetzter in einen Kampf verwickelt ist - halten sie doch Abstand und greifen nicht ein.
Mit Vaders Nachsatz "Niemand sonst kann es mit ihm aufnehmen" möchte ich die Prequels mit einbeziehen, in denen die Macht Obi-Wans als Jedi-Ritter voll zur Geltung kommt und es durchaus glaubhaft ist, dass Obi-Wan selbst als alter Mann für normalsterbliche Gegner mindestens eine Nummer zu Groß ist.
Mit diesem Satz verstärkt Vader zusätzlich seine Aufforderung, ihm Obi-Wan alleine zu überlassen. Wenn nur ein Sith-Lord mit diesem alten Mann fertig werden kann, dann wird auch niemand der Truppen es wagen, den alten Jedi-Meister zu stellen.
Zwei tödliche Gründe, die Vader garantieren, daß er seine Familienangelegenheit ungestört zu Ende bringen kann.
Einen weiteren Gesichtspunkt arbeitete ich in diese BDFC-Sequenz hinein:
Es betrifft "Plan 9". Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass die Flucht vom Todesstern spätestens nach dem Überleben der Helden in der Müllpresse eine abgekartete Sache zwischen Vader und Gouverneur Tarkin war. Tarkin spricht ja auch in der Originalversion selbst an, daß er viel dabei riskiere und er hoffe, daß der Funkpeilsender am Schiff der Flüchtenden funktioniere, damit der geheime Stützpunkt der Rebellen entdeckt werden könne. Es wurde also nicht eine tödliche Jagd nach den Rebellen auf dem Todesstern veranstaltet und zur Sicherheit, falls diese durchkämen, ein Funkpeilsender am Schiff angebracht. Ein selbst erkämpftes Entkommen von dieser Station wäre auch nach Aussage Leias unmöglich gewesen.
Dieser Plan ist auch eine nachvollziehbare Sache, denn wenn Leia und die Roboter auf dem Todesstern gefasst worden wären, hätte zwar die Rebellion eine Anführerin verloren und die Todessternpläne befänden sich wieder in den Händen des Imperiums, aber man wüßte immer noch nicht, wo die Rebellen sich verstecken und ob nicht doch weitere Kopien der Pläne in Umlauf gekommen sind. Das Hauptziel kann also nur sein, so schnell wie möglich den geheimen Rebellenstützpunkt ausfindig zu machen, um die Rebellion endgültig durch einen schnellen Schlag zu zerschmettern, wie es Tarkin in der Originalversion selbst formuliert. Dies soll aus Sicht Vaders durch die Flucht Leias ermöglicht werden. Hier ist es praktisch wie in EPISIODE 1: Der Imperator setzt den Schwarzen Lord der Sith und dessen Verschlagenheit darauf an, die untergetauchten Feinde aufzuspüren.
Wenn also im BDFC am Ende der beschriebenen Sequenz ein Alarm durch die Station heult und sich Sturmtruppen hektisch verteilen, dann wird gerade "Plan 9" auf den Weg gebracht: Nachdem man weiß, daß Prinzessin Leia am Leben ist und wo sie sich gerade befindet, soll ihr glaubhaft der Versuch des Imperiums dargestellt werden, sie unter allen Umständen zu fassen. Die Prinzessin darf natürlich nicht daran zweifeln, daß ihre Flucht aus eigener Kraft gelungen ist, sonst würde sie eine Falle vermuten. So werden also imperiale Sturmtruppen von ihren eigenen Befehlshabern wohl bewußt in falsche Richtungen befehligt und treffen andererseits durch Zufall oder Verwirrung auf die Flüchtenden. Vielleicht gibt es ja auch Anweisungen, sich heftige Scheingefechte mit den Rebellen zu liefern, damit diese eine glaubhafte Flucht erleben. Hierbei bezahlen dann aber einige imperiale Soldaten ihren Übermut, erzeugt durch eine Hoffnung auf Belobigung und Beförderung, mit dem Leben. Sicherlich gibt es kleine Einheiten, die aufgrund ihres Ausbildungsstandes noch nicht als gefechtsbereite Truppen gelten und als Bauernopfer den Rebellen vorgeworfen werden. Oder vollkommen kampfunerfahrenes Büropersonal wird in Panzerungen der Sturmtruppen gesteckt und mit Aussicht auf eine Prämie oder dem Zitieren des Kleingedruckten des imperialen Arbeitsvertrages in das gewollt aussichtslose Gefecht geschickt.
"Plan 9" kann viele Gesichter haben. Wie würdest du es anstellen, lieber Leser?
Natürlich ist die Bezeichnung "Plan 9" nicht einfach aus der Luft gegriffen.
Sicherlich, es kann mehrere Variationen dieses Plans gegeben haben. Was wäre z.B. wenn die Prinzessin ihr Leben in der Müllpresse verloren hätte oder gar nur die Roboter übrig geblieben wären. Dafür sollte es doch auch Pläne gegeben haben. Es war klar, daß die Flucht durch die Labyrinthe des bewachten Todessterns trotz aller Vorkehrungen ein sehr hohes Rest-Risiko für die Rebellen mit sich bringen würde. Warum also nicht mindestens neun Pläne? Vielleicht waren die Folterung Leias durch Vader sowie der Versuch Tarkins, durch die Zerstörung ihres Heimatplaneten den Standort des geheimen Rebellenstützpunktes aus ihr herauszupressen, schon Plan 1 und Plan 2.
Nein, ich habe bewußt Darth Vader "Plan 9" zitieren lassen, um mit meiner doch recht rustikal gezimmerten Heimvideoversion von EPISODE 4 einen Mann und sein Werk zu ehren, der es verdient hat, hier zitiert zu werden:
Edward D. Wood, Jr. (auch bekannt als Ed Wood)
Heute spricht man wieder von ihm, lange war er vergessen. Er war Filmemacher und sein aus den Jahren 1956 - 1959 stammender Science-Fiction-Film "Plan 9 From Outer Space", in dem Außerirdische einen haarsträubenden Plan zur Eroberung der Erde verfolgen, wurde zum schlechtesten Film aller Zeiten "gekürt". Mit Bela Lugosi hatte er dafür einen alten, ehemaligen Superstar unter Vertrag, der wie kein anderer dafür bekannt war, die perfekte Personifikation des dunklen Bösewichts auf die Leinwand zaubern. Jedoch verstarb Bela Lugosi zwei Tage nach Drehbeginn und wurde durch ein Double auf wirklich einmalige Weise ersetzt.
Wenn dazu auch noch die Kulissen im Film wackeln mögen und die Fäden an den fliegenden Untertassen zum greifen nahe scheinen, Ed Wood hat vielen was voraus: Er hat seine Visionen umgesetzt, er hat Filme gemacht und in die Kinos gebracht. Und das ohne großes Budget. Er war wirklich Filmemacher. Ich meine, mit 100 Millionen Dollar einen Film zu machen, das ist keine Kunst. Die Kunst liegt darin, ohne Geld und Unterstützung erst einmal eine Geschichte zu entwickeln, die richtigen Leute zur richtigen Zeit zu treffen, einen Film zu produzieren, trotz aller Kritik und Rückschläge weiter zu machen, einen Verleih zu finden und den Film in die Kinos zu kriegen. Dann kann man auch erst die Zuschauer begeistern. Und am Ende muß vor allem so viel Geld rein kommen, daß man bloß nicht verschuldet ist, möglichst die Kosten gedeckt sind und selbst irgendwie leben kann oder am Besten die Produzenten Gewinn einfahren, damit man die Option auf einen weiteren Film erhält. All das ist die Kunst.
Ed Wood war Phantast, Visionär und Eigenbrödler, der ohne großes Budget bis zur Erschöpfung an seinen Werken arbeitete, trotz allen Hohns und Spotts.
Er starb nicht als reicher oder angesehener Mann.
Heute sind Ed Wood und seine Filme Kult.
In den 70er Jahren hätte sich seine Geschichte durchaus wiederholen können, als ein junger Filmemacher mit eben solch einer Kreativität, angetrieben von phantastischen und visionären Konzeptionen, einen Science-Fiction-Film machen wollte, wie ihn noch niemand gesehen hatte. Doch keiner konnte seinen Ausführungen folgen. Nur weil er schon einen Erfolg vorzuweisen hatte, bekam er Geld für sein Projekt. Seine Hauptdarsteller schwangen sich über Abgründe, die keine waren, sie rannten durch Papp-Kulissen, badeten in Styropor-Müll und Plastikraumschiffe wurden an Drähten mit übergroßen Krachern zur Explosion gebracht. Den Part des bösen Befehlshabers übernahm auch bei ihm eine lebende Horrorfilm-Legende. Und noch bis zum Tage der Erstaufführung wollte die Produktionsfirma den Film verkaufen, um wenigstens etwas von dem Geld zu retten, das mit dieser Produktion scheinbar zum Fenster rausgeworfen war.
Ja, ich rede gerade von George Lucas und "Krieg der Sterne". Jeder hat darüber gelacht und kaum jemand hat Vertrauen in den Film gesetzt. Es war eine Gratwanderung, wäre der Film ein Flop geworden…
Und genau darum verdient es Ed Wood, in meiner Version des größten Science-Fiction-Films aller Zeiten zitiert zu werden.
Ich glaube, es würde ihm gefallen.
Das ist also die Geschichte zur "Familienfoto"-Sequenz im BDFC.
Für alle, denen diese Ausführungen Spaß gemacht haben und die Interesse daran finden, wird diese 30 Sekunden lange Sequenz im kommenden neuen BDFC-Trailer komplett gezeigt werden.
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